Tante Martl
Tante Martl
Autor: Ursula März
Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-05981-7
Preis: 20,00 €
Buchtipp von: Rainer Francke (Dezember 2019)
Tante Martl heißt eigentlich Martina. Doch auf dem Standesamt angemeldet hat sie ihr Vater im Juni 1925 als Martin: so groß war die Enttäuschung des Mannes, dass es nach 2 Töchtern auch diesmal kein Sohn geworden war; und eine Woche hat er gebraucht, um den „Irrtum“ zu korrigieren. Zeitlebens hat Martl – so wurde sie schließlich von allen genannt – diese Ablehnung ihres Vaters gespürt.
Ihr „Tanten“-Schicksal gab es bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts wohl häufig: die unverheirateten Schwestern, die sich für die Familie aufzuopfern hatten: war jemand krank, kamen sie zu Hilfe und brachten den Haushalt in Ordnung. In Martls Fall blieb sie auch bei den Eltern wohnen und pflegte sie bis zum Tod – ohne je ein Wort der Anerkennung des Vaters gehört zu haben oder viel Unterstützung ihrer Schwestern zu erfahren.
Und doch war Martl gleichzeitig sehr eigenständig. Im Gegensatz zu ihren verheirateten Schwestern hat sie einen Beruf, ist Lehrerin, fährt Auto, hat ein Konto, unternimmt Reisen – ist also eine durchaus emanzipierte Frau.
Aus Sicht ihres Patenkindes, der Autorin, entsteht ein sehr authentisches Portrait dieser besonderen „Tante“, vieles ist anekdotisch, und der pfälzische Dialekt, den Martl benutzt, lässt den Leser sich fast als Familienmitglied fühlen.
Ein anrührender, liebevoller Roman über eine besondere Frau und über eine Zeit, die noch gar nicht so weit zurückliegt.