Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise
Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise
Autor: Jean-Paul Dubois
Verlag: DTV
ISBN: 978-3-423-28240-6
Preis: 22,00 €
Buchtipp von: Anne Simon (September 2020)
Paul Hansen sitzt im Gefängnis von Montreal. Er könnte früher entlassen werden, wenn er seine Tat, die ihn hier her gebracht hat, bereuen würde. Aber er bereut sie nicht und will es auch nicht behaupten. Was hat er getan, dieser unauffällige, aufrichtige Mann, dass ihn nun dazu zwingt, seine Zelle mit Ratten und einem tumben, gewaltbereiten Rocker zu teilen?
Sein Leben beginnt nicht gerade wie eine klischeebeladene Verbrecherkarriere. Der junge Paul wächst in Toulouse auf, wo seine intellektuelle Mutter ein Programmkino betreibt. Sein Vater, ein Däne, ist Pastor einer kleinen Gemeinde. Einige Jahre läuft alles harmonisch und Paul erlebt eine behütete, glückliche Kindheit. Doch Mitte der 1970er Jahre ist die Welt im Umbruch. Die Dissonanzen zwischen den kirchlichen Verpflichtungen des Vaters und der avantgardistischen Einstellung der Mutter sorgen immer häufiger für Diskussionsstoff. Die Erstaufführung des Skandalpornos „Deep Throat“ im Kino der Pastorenfamilie Hansen bringt das Fass schließlich zum Überlaufen. Der Vater verlässt die Familie und zieht nach Kanada, wohin ihm Paul schon kurze Zeit später folgt.
In der Nähe von Quebec geht Paul schließlich eigene Wege und führt ein manchmal turbulentes, aber nicht weiter auffälliges Leben. Arbeit findet er zunächst auf dem Bau und später als Concierge eines luxuriösen Wohnkomplexes. Dort nimmt er sich nicht nur kaputter Glühbirnen und sonstiger Ausbesserungen an, sondern kümmert sich auch mit vollem Einsatz um das Wohlbefinden der Bewohner. Und das treu über zwei Jahrzehnte hinweg bis zu dem Tag, der sein Leben für immer verändern wird.
Jean-Paul Dubois erzählt durch die Augen seines Protagonisten von den Unwägbarkeiten des Lebens, von den Mühen der Menschen, in diesem zu bestehen, vom Lauf der Zeit und davon, wie eng Glück und Verlust mit einander verknüpft sind. Der Ton ist dabei stets geprägt von feinem Humor und sanfter Melancholie; ein schmales Buch, das auf unaufdringliche Art von den ganz großen Themen des Lebens erzählt.